Klangfarben - sich entfalten zum eigenen stimmigen Ton
Seit langer Zeit freue ich mich immer riesig mitzuerleben, wie jemand authentisch, berührend,
stimmig in Wort, Klang, Bewegung ist, sich selbst offenbar gefunden hat. Diese Personen
strahlen für mich eine gewisse innere Ruhe und Gelassenheit aus, sind Quellen der Inspiration
für andere. Und wenn sich von dieser Sorte mehrere Menschen treffen und ihre Talente und
Fähigkeiten miteinander teilen, wow (ohne Worte).
Klangfarben, das verbinde ich mit Vielfältigkeit und Leichtigkeit bei einer gewissen
Zentrierung und inneren Aufrichtung...(!?) Lichtenberg lehrte mich die Möglichkeit,
Klangfarben zu singen statt Tonhöhen. Die Tonhöhenregelung könne im Kehlkopf vom
Vocalis übernommen werden, einem Muskel, der parasympatisch enerviert ist. Das klingt
nach Entspannung mit großem Tonumfang - uns Sängern immer willkommen! Zugleich
öffnet sich damit eine Tür, die Tür zu einer reichen inneren Klangerfahrung. Das führt zu der
Möglichkeit der Vernetzung von Resonanzräumen, die ich mir nie hätte träumen lassen. Zu
einem tiefen inneren Kontakt mit sich selbst, der einhergeht mit der klanglichen Entfaltung.
Verbunden damit ist ein Aufblühen der Persönlichkeit.
Klangfarben, das Wort ist zusammengesetzt aus "Klang" und "Farben".
Das Wort "Klang" kommt aus dem Althochdeutschen und ist auf musikalische, von
schwingenden Körpern erzeugte Töne bezogen (lt. Hermann Paul: Deutsches Wörterbuch).
"Farben" beziehen sich für mich auf das ganze Farbspektrum, auf die schillernden,
perlmuttfarbenen Strukturen des Körpers, die Klang transportieren, auf das Zusammenspiel
von Membranen oder Faszien, von wirbelnden, vibrierenden, pulsierenden
Schleimhautpartikeln -ein wahres, fein abgestimmtes Körperorchester.
Doch zurück zum "Klang": Es geht um die Klangstruktur, um Resonanzräume wie
Hohlräume oder Löcher, Chords bzw. Saiten (Stimmbänder...) oder auch Membrane, die
über diesen Räumen klingen. Behüten wir das, stellen wir unser Überleben sicher. Schließt
beispielsweise der Kehldeckel nicht, gelangt Speise in die Luftröhre - äußerst schlecht für die
Gesundheit. Schön ist, wenn der Kehldeckel die "Röhren", Speise- und Luftröhre als
Klangräume freigibt. Dazu muss er selbst mitschwingen. Geht das leicht, freut sich das
Körpersystem und der Zuhörer. Tut sich so eine Membran oder Klangschwelle schwer
mitzuschwingen, d.h. schluckt das Gewebe den Klang oder reflektiert ihn als undurchlässige
Wand, gibt es zwei Möglichkeiten:
"mit Muskelkraft" und Volldampf die Klangschwingung durchdrücken, d.h. dem Gewebe
einen Klang aufzwingen. Das kann unter Umständen auch angenehm für den Zuhörer sein
und eine gewisse Zeit gut gehen. Aber was passiert mit dem Körper? Durch das auferlegte
Zwangsmitschwingen knackt die Sollbruchstelle, das schwächste Glied in der Kette. Es
kommt zu Ermüdungserscheinungen.
Die zweite Möglichkeit besteht in einer anderen Art von Aufmerksamkeit, Achtsamkeit mit
dem möglichen Resonanzraum und der ihn hütenden Klangschwelle. Die Klanggestalt zu
befragen und eine differenzierte Art des Zuhörens sind Schlüssel zum Kontakt. Der Clou:
Klangentfaltung über das Entspannungsnervensystem, also Entfaltung über die Sensorik, die
Vernetzung.
Es geht um Klangparameter, die über mentale Programme und emotionale Sperren
hinweghelfen bzw. durchtragen. Denn solche "Verspannugnen", "Verkrampfungen",
Schutzmechanismen hemmen manchmal die natürliche klangliche Beschaffenheit des
Körpers. Das Ergebnis: Leichtigkeit, Tragfähigkeit, Vielfältigkeit, Entfaltung zum eigenen
stimmigen Ton.
Die Anwendungsbereiche sind mannigfaltig und genauso farbenfroh wie die
unterschiedlichen Menschen.